Der Mann, der vergessen wurde: Roman (German Edition) by Mia Ajvide

Der Mann, der vergessen wurde: Roman (German Edition) by Mia Ajvide

Autor:Mia Ajvide [Ajvide, Mia]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2014-02-20T23:00:00+00:00


22

Kühe erschrecken

Artur sprach am nächsten Tag kaum ein Wort. Grimmig nahm er das Porzellan aus den Küchenschränken, um es zu putzen und um das Papier, mit dem die Schränke ausgelegt waren, zu wechseln.

»Und das mache ich am liebsten allein«, sagte er, als Jack anbot, ihm zu helfen.

Jack ließ den Wischlappen ins Spülbecken fallen und ging ins Wohnzimmer. Er nahm einen Atlas aus dem Bücherregal, legte sich damit aufs Sofa, stopfte sich ein Kissen unter den Kopf und schlug die Karte vom Großraum Stockholm auf.

In der Küche mischte sich unter das Rascheln von Papier Schlagermusik aus dem Radio. Jack ertrug sie eine Zeit lang, weil er wusste, dass Artur sich bei dieser Art von Musik an die Triumphe erinnerte, die er einst auf der Tanzfläche gefeiert hatte. Aber als Sonja Aldéns »Weil es dich gibt« verklang und von einer blechernen Werbeunterbrechung abgelöst wurde, wurde es ihm zu viel. Er ging in die Küche.

»Könntest du dir vorstellen, Maries Bekanntschaft zu machen?«, fragte er und lehnte sich gegen den Türrahmen.

Artur sah von dem Tellerstapel auf, den er in der Hand hielt, und schüttelte den Kopf.

»Ein anderes Mal vielleicht. Ich habe Otto versprochen, ihm zu helfen, die Bremsbeläge an seinem Wagen auszutauschen, und das sollte man am besten gleich erledigen.«

Artur stellte einen Stapel Geschirr in den Schrank und griff nach einem anderen. »Otto muss seine Verwandten in Deutschland besuchen, und dort fahren sie auf der Autobahn wie die Verrückten.«

Jack zuckte mit den Schultern. »Wie du willst«, erwiderte er, bevor er zurück ins Wohnzimmer ging, sein Handy aus der Tasche nahm und Maries Nummer wählte.

»Ich bin’s, Jack«, meldete er sich.

»Ja?«

Sie klang außer Atem. Im Hintergrund waren Autos zu hören. Jack sprach lauter, um das Verkehrsrauschen zu übertönen.

»Wo bist du? Ich kann dich kaum verstehen.«

»Bei Strandvägen, ich fahre Rad. Im Moment nur mit einer Hand am Lenker. Was gibt’s?«

Das waren keine guten Voraussetzungen für ein vertrauliches Gespräch. Jack überlegte rasch.

»Treff mich doch beim Sergelfontänen, in zehn Minuten am Brunnen. Ich komme mit dem Fahrrad.«

»Und was wollen wir machen?«

»Eine Fahrradtour. Nach Lovö.«

»Hast du vor, dem König einen Besuch abzustatten?«

»Nein, was Besseres.«

Mehr wollte er nicht verraten und legte auf.

Die Sonne brannte auf seinen Schultern, als er mit Marie am Schloss Drottningholm vorbeiradelte. Der nächtliche Regen hatte die Blätter an den Bäumen wieder aufleben lassen. Wasser spritzte um ihre Räder auf, als sie auf einen nassen Schotterweg einbogen.

Links und rechts ragten Steilhänge auf, die mit Eichen bewachsen waren. Jack atmete den Geruch von feuchter Erde und Moos ein, strampelte an Marie vorbei und sauste in hohem Tempo einen Hügel hinab. Vor ihm breitete sich die Landschaft aus, sanfte Weidegründe fielen zum Wasser hin ab. Unter einer Gruppe Erlen am Ufer stand eine Herde Kühe. Er bremste, und Marie schloss zu ihm auf. Sie keuchte, ihr Gesicht glänzte.

»Warum hältst du an?«, fragte sie.

»Komm!«

Er legte sein Fahrrad in den Graben und deutete auf die Kühe am See. Marie sah ihn erstaunt an.

»Du willst doch wohl nicht sagen, dass du daran glaubst, oder?«

»Doch!«

Sie schüttelte den Kopf, legte ihr Fahrrad neben seines und kroch hinter ihm unter dem Zaun durch.



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